Legasthenie, Lese-Rechtschreibschwäche, Lese-Rechtschreibstörung, LRS - Was ist Was?
Für manche Kinder und ihre Eltern sind die täglichen Aufgaben in Deutsch ein überfordernder Stressfaktor, der viel Leid verursacht. Die Kinder versuchen, das Üben von Lesen und Schreiben zu vermeiden. Sie verlesen sich häufig oder versuchen die Wörter zu erraten. Ihre Texte sind wegen der vielen Fehler sowie unterschiedlichen Schreibweisen der Wörter kaum zu entziffern und Buchstaben werden spiegelverkehrt geschrieben. Eltern verzweifeln daran, dass geübte Wörter in den Diktaten falsch geschrieben werden, da sie im Gedächtnis nicht abgespeichert wurden. Vielleicht leidet das Kind unter Legasthenie? Doch was bedeutet das?
Wird ein Kind eingeschult, muss es sich mit einer wichtigen Kulturtechnik auseinandersetzen. Menschen haben im Laufe der Evolution gelernt, die Sprache in Buchstaben, Wörter und Sätze umzuwandeln. So können sie sich über Entfernungen mitteilen, Gedanken aufschreiben und über
Jahrzehnte Geschichten für die nächsten Generationen festhalten.
Die meisten Kinder freuen sich, endlich an der geheimnisvollen Welt der Erwachsenen teilhaben zu können. Sie sind begeistert, lesen und schreiben zu lernen. Doch manche Kinder haben gravierende Probleme diese Fähigkeiten zu erwerben. Je nach Expertenschätzung geht man von 3-10% Betroffene pro Jahrgang aus.
Ab wann sich diese Probleme in einer Störung manifestieren, wird von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) definiert. Laut deren internationalen Klassifikationsschema ICD-10 spricht man von einer Lese-Rechtschreibstörung, wenn die Probleme beim Lesen und Schreiben lange andauern, gravierend sind und nicht mit dem Entwicklungsalter, der Intelligenz, fehlenden Beschulung und physischen oder psychischen Erkrankungen der Kinder zu erklären sind.
Die WHO unterscheidet drei Arten dieser Störung:
1. Die Lese-Rechtschreibstörung
Eine Lese- und Rechtschreibstörung ist eine schwerwiegende Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lese- und Rechtschreibfähigkeiten. Sie äußert sich durch Defizite im gesamten Leseprozess und der Fähigkeit, geschriebene Worte wieder zu erkennen oder vor zu lesen. In der Rechtschreibung treten Probleme beim Schreiben der Buchstaben und Wörter auf. Erlerntes kann nicht abgespeichert oder abgerufen werden.
2. Die isolierte Rechtschreibstörung
Diese Störung tritt isoliert auf. Die Lesefähigkeiten sind normal entwickelt.
3. Die isolierte Lesestörung
Diese Störung tritt isoliert auf. Die Rechtschreibleistungen liegen im Normbereich.
Einige Psychologen, Ärzte sowie manche Bundesländer (als Gesetzgeber der Legasthenie-Erlasse) unterscheiden zwischen den Begriffen der Lese- und Rechtschreibstörung, Lese- Rechtschreibschwäche, Legasthenie oder dem Kürzel LRS. Die Grundlage für diese Differenzierung ist nicht einheitlich und stiftet Verwirrung. Zumal manche Fachkräfte vermitteln, dass es sich bei den unterschiedlichen Begriffen um eine qualitative Einschätzung der Probleme handelt. Fataler Weise wird manchmal sogar suggeriert, dass darüber eine Wahrscheinlichkeit für den Erfolg einer Förderung abgeleitet werden kann. Kein Wunder also, dass die Begriffe Legasthenie, Lese-Rechtschreibschwäche, Lese-Rechtschreibschwierigkeiten, Lese-Rechtschreibstörung oder kurz LRS von vielen Menschen synonym verwendet werden.
Um diese Missverständnisse zu vermeiden, sollte man für beeinträchtigende Lese- und/oder Rechtschreibschwierigkeiten, welche die ICD-10-Kriterien erfüllen, den klar definierbaren Begriff der Lese-Rechtschreibstörung und (als lateinischen Fachterminus) den Begriff Legasthenie verwenden. Zur besseren Lesbarkeit sollte sich die Abkürzung LRS (wobei S für Störung steht) etablieren. Die Begriffe Lesestörung und Rechtschreibstörung sollten nur verwendet werden, wenn von dem isoliert betroffenen Lese- oder Rechtschreibbereich gesprochen wird.
Auf den kommenden Seiten möchten wir Sie über die Ursachen, Symptome, Diagnostik und Fördermöglichkeiten bei Lese-Rechtschreibstörungen informieren.