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Zwangsstörungen bei Kindern - Ursachen und Möglichkeiten

Ursachen und Möglichkeiten bei ZwangsstörungenAls Ursachen werden multifaktorielle genannt. So ist es nicht die Genetik und nicht die Umwelt alleine, nicht biologische Faktoren oder frühkindliche Hirnerkrankungen, es ist ein Zusammenwirken vieler sich ungünstig auswirkender Faktoren. Es kann beispielsweise eine genetische Veranlagung sein aufgrund einer Häufung von Zwangserkrankungen in der Familie plus traumatischer Kindheitserlebnisse, oder eine körperliche Erkrankung fällt in eine sensible Entwicklungsperiode und gleichzeitig erfolgt ein Umzug ins Ausland, den das Kind nicht gut verkraftet. Den Zwangsgedanken liegen in der Regel Ängste zugrunde, die durch die stereotypen, sich wiederholenden Rituale gebannt werden sollen. Zwangshandlungen dienen der Kontrolle, weil sich das Kind ohnmächtig den Umständen ausgeliefert fühlt. Es gibt eine Reihe von psychologischen Faktoren, die für den Ausbruch der Zwangsstörung verantwortlich gemacht werden.

Perfektionistische Eltern mit ebensolchem Anspruch an die Kinder, ein versäumtes Aufbegehren in der Kindheit, Kinder, die zu lieb waren und wenig eigene Erfahrungen machen durften, aber auch Lernschwierigkeiten in der Schule. Eine einzige Ursache wurde bis heute nicht gefunden und das macht ihre Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern auch problematisch.

Aus diesem Grunde ist eine umfassende Diagnostik äußerst wichtig:

Zunächst wird der Therapeut sich um eine ausführliche Anamnese bemühen, er wird die Vorgeschichte bis zum Ausbruch der Erkrankung studieren. Im Anschluss daran werden Entwicklungs- und Intelligenztests gemacht, um den Entwicklungsstand des Kindes zu überprüfen und seine intellektuellen Fähigkeiten. Die Verhaltensanalyse ist wichtig, um den Schweregrad der Zwangsstörung zu ermitteln. Im Zuge der Verhaltensanalyse wird auch nach Auslösern für die Erkrankung gesucht und nach Selbsthilfepraktiken, die sich das Kind unter Umständen schon angeeignet hat. Die körperliche Untersuchung muss von einem Psychiater durchgeführt werden, weil nur durch einen Mediziner hirnorganische Ursachen ausgeschlossen werden können. Schließlich steht am Ende der Konsultationen eine Diagnose mit der Empfehlung für eine Therapie.

Möglichkeiten einer Therapie:

Die bevorzugte Therapie für die kindliche Zwangsstörung ist aktuell die kognitive Verhaltenstherapie in Verbindung mit einer behutsam eingesetzten Pharmakotherapie. Die zugelassene Medikation in Deutschland für die Zwangsstörung im Kindes- und Jugendalter ist gesetzlich vorgeschrieben. Der Wirkstoff Sertralin darf ab dem 6. Lebensjahr und Fluvoxamin ab dem 8.Lebensjahr verordnet werden. Eine Therapie ausschließlich mit Psychopharmaka wird eher selten empfohlen. Für welche Therapie auch immer sich die Betroffenen entscheiden, die Eltern des Kindes sollten in jedem Fall mit einbezogen werden, sind sie doch immer Betroffene und manchmal sogar ursächlich in die Krankheitsgeschichte des Kindes verstrickt. Im Verlauf einer Verhaltenstherapie ist die Expositionsbehandlung mit Reaktionsmanagement, kurz EMR, fester und erprobter Teil der Behandlung und verspricht beste Erfolge. Unter der Expositionsbehandlung versteht man ein Verfahren, dass sich als Reizkonfrontation versteht. Das Kind wird mit seinen Ängsten konfrontiert, die körperlichen Symptome werden zugelassen, bis das Kind merkt, dass die gefürchtete Situation nicht eintritt, auch wenn es keine Zwangshandlungen ausführt. Das Kind soll sozusagen zum "Chef" seiner Zwänge werden und ihnen nicht mehr hilflos ausgeliefert sein. Der Schweregrad bei der EMR wird bei Kindern schrittweise gesteigert.

Im Rahmen der therapeutischen Diskussion sollen noch zwei Fachbegriffe genannt und erklärt werden; Family Accomodation und Psychoedukation. Family Accomodation ist im Falle einer kindlichen Zwangsstörung für das Kind nicht hilfreich und wird langfristig auch nicht zur Problembewältigung in der Familie beitragen. Family Accomodation besagt, dass Familienangehörige die Zwangshandlungen des Kindes unterstützen beziehungsweise sich den Zwängen des Kindes im Alltag anpassen, um ihm zu helfen. Auf diese Weise wird jedoch verhindert, dass das Kind eigene Bewältigungsstrategien entwickelt, es wird in Watte gepackt, ihm wird jegliches Recht auf Selbstbestimmung genommen. Darüber hinaus wird dem Kind vermittelt, wie hilfebedürftig es ist und wie aussichtslos ein Ausweg scheint. Hier ist es wichtig für die Angehörigen, sich ebenfalls Hilfe zu suchen, um das erkrankte Kind bestmöglich unterstützen zu können und nicht selbst zu erkranken. Und hier kommt der zweite Begriff ins Spiel, Psychoedukation. Um dem Kind mit einer Zwangsstörung wirksam im Alltag helfen zu können, müssen die Angehörigen zunächst einmal mehr von der Krankheit verstehen, von ihren Ursachen und Auswirkungen und zu diesem Zweck können sie sich durch Literatur oder Filme über dieses Krankheitsbild informieren.

Fazit:

Eine Zwangsstörung bei Kindern ist eine ernstzunehmende psychische Erkrankung, die, je früher sie erkannt wird, desto größere Chancen hat, mit Erfolg behandelt zu werden. Die Ursachen für diese Erkrankung sind nicht vollständig bekannt, die Medizin geht jedoch davon aus, dass an ihrer Entstehung biologische, genetische und soziale Faktoren beteiligt sind. Spezielle diagnostische Verfahren können die Zwangsstörung von anderen psychischen Erkrankungen unterscheiden, wie zum Beispiel von Depressionen, Autismusspektrumsstörungen, aber vor allem von Tic-Störungen und ADHS. Das ist insofern wichtig, weil die Therapie für eine Zwangsstörung bei Kindern eine vollkommen andere ist als die im Falle einer ADHS-Erkrankung. Da die Symptome einer Zwangsstörung oft "leise" daherkommen, schleichend, und nicht immer mit aggressivem Verhalten gekoppelt ist, liegt das Augenmerk von Eltern, Lehrern und Freunden auf der Früherkennung der Erkrankung. Die Eltern sind und bleiben ein wichtiger Part im therapeutischen Prozess.

Hilfe:

Die nachstehend aufgeführten Adressen sind nur eine kleine Auswahl. Dort können sich Betroffene und Angehörige über die Zwangsstörung (in Fachkreisen heißt sie OCD für Obsessive Compulsive Disorder) informieren.

  • Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V. | www.zwaenge.de
  • OCD Land | www.ocdland.com
  • Tageskliniken in jeder größeren klinischen Einrichtung und/oder Psychiatrische Institutsambulanzen, kurz PIA genannt.